Die proportionale Zustimmungswahl (Englisch: proportional approval voting, PAV) ist ein Verfahren um mehrere Personen zu wählen. Dabei bildet es (anders als die Blockwahl) Wählergruppen entsprechend ihrer Größe ab. Wie bei der einfachen Zustimmungswahl dürfen beliebig viele Kandidaten angekreuzt werden. Die Stimmen werden dabei gewichtet, so dass jemand der bereits durch eine Person vertreten ist weniger Einfluss auf die weiteren Gewinner hat.
Wenn mehrere Mitglieder zu einem Vorstand, Stadtrat oder Parlament gewählt werden sollen wird meist eine von nur zwei Methoden genutzt. Entweder mit Parteilisten oder über die Blockwahl. Beide haben massive Probleme die dazu führen dass die Wähler entweder in ihrer Gesamtheit oder in Qualität nicht repräsentiert sind. Die proportionale Zustimmungswahl schafft beides ohne zu kompliziert zu werden.
In der Blockwahl haben die Wähler so viele Stimmen wie es Personen zu wählen gibt. Es gewinnen die Kandidaten mit den meisten Stimmen. Die Blockwahl wird bei Wahlen zu Vereins und Parteivorständen verwendet und ist teilweise sogar gesetzlich vorgeschrieben. Das große Problem dabei ist jedoch, dass eine Mehrheit der Wähler mit 50%+ der Stimmen 100% der Sitze besetzen kann. Es ist also keine proportionale Wahl - es gibt immer Wähler, die nicht repräsentiert sind.
Im Gegensatz dazu bildet die Wahl von Parteien zwar theoretisch alle Wähler ab, lässt ihnen dabei aber weniger Auswahl. Um das zu veranschaulichen ein abstraktes Rechenbeispiel. Im Bundestag sitzen 709 Abgeordnete aus sieben Parteien, also haben die Wähler etwa einen Einfluss von 1:100 auf die personelle Zusammensetzung. Die wesentliche Auswahl darüber wer im Parlament sitzt haben die Parteien selbst.
Hier wird die sequentielle PAV vorgestellt - üblicherweise SPAV abgekürzt. Die theoretisch ideale nicht-sequenzielle Variante ist durch den hohen Rechenaufwand nicht praktikabel.
Das sequenzielle Verfahren funktioniert im ersten Schritt wie die
reguläre Zustimmungswahl. Die Stimmen zählen voll und die Person mit den
meisten Stimmen gewinnt. Um den nächsten Gewinner zu ermitteln werden
nun alle Stimmzettel welche für den ersten Gewinner gestimmt haben, neu
gewichtet. Das erfolgt mit der Reihe: 1, ⅓, ⅕, ⅐, ⅑, … Diese Reihe
basiert auf der Anzahl der erfolgreich gewählten Personen plus 0,5.
Genauer ist das folgend unter den Punkt “Herleitung” erklärt.
Wer also schon einen Gewinner gewählt hat, hat in der nächsten Runde nur
noch ⅓ der Stimme, bei zwei nur noch ⅕, und so weiter. Die Wahlzettel
werden also so oft ausgezählt wie es Personen zu wählen gibt, das
Gewicht der Wahlzettel jeweils angepasst.
Dieses Verfahren gibt eine Auflistung der Kandidaten unabhängig davon wie viele Sitze zu vergeben sind. Es bietet sich also auch dort an wo die Zahl der Sitze zur Wahl noch nicht bekannt ist. Eine Partei die möglichst alle ihre Wähler vertreten will könnte ihre Kandidatenliste auf diese Weise aufstellen.
Wie eine proportionale Form der Zustimmungswahl aussehen kann lässt sich durch einen Vergleich herleiten.
Im ersten Schritt teilen wir die Stimme auf alle gewählten Kandidaten auf. Wählt jemand zum Beispiel vier Kandidaten so erhalten diese je ¼ der Stimme. Damit dadurch aber keine Stimmen verloren gehen entfernen wir nun nach und nach jeweils den Kandidaten welcher gesamt am wenigsten Stimmen erhalten hat. Jedes mal werden die Stimmen neu verteilt. Fliegt also von unseren vier gewählten Kandidaten einer raus, so erhalten die restlichen je ⅓ der Stimme. Dieser Prozess dauert so lange bis nur noch so viele Kandidaten im Rennen sind wie wir wählen wollen. Wird nur ein Sieger gewählt ist diese Methode äquivalent zur regulären Zustimmungswahl.
Wenn wir uns in jeder Runde die bestplazierten Kandidaten anschauen, können wir diese als vorläufige Gewinner ansehen. Solange bis sich die Kräfte verlagern. Als Wähler können wir uns so ausrechnen, wie groß der Einfluss unserer Stimme sein kann. Ist keiner unserer Favoriten unter den bestplazierten, so kann es aber sein, dass eine Kandidat gerade an der Grenze ist dazu zugehören. Unsere Stimme ist also ausschlaggebend. Wählen wir ihn, so schafft er den Sprung in die Bestenliste, wenn nicht dann gehört er zu den Verlierern. Unsere Stimme ist hier also gespalten - solange wir uns nicht entschieden haben hängt dieser Kandidat gerade an der Grenze. So als ob wir ihn zu 0,5 zu den Gewinnern gewählt hätten.
Ist aber einer unserer Favoriten bereits unter den vorläufigen Gewinnern, dann kann unsere Stimme für einen weiteren Kandidaten nur einen Teil ihrer Kraft entfalten. Denn nun müssen wir mindestens zwei gewählt haben, einen welcher schon unter den Besten ist, und einen welchen wir dort hineinheben wollen. Analog zu zuvor können wir uns also denken 1,5 Gewinner gewählt zu haben. Ebenso verhält es sich für jede weitere Zahl an Kandidaten. Wenn schon zwei unserer Wahl unter den Besten sind und der dritte in der Schweben, dann haben wir 2,5 Gewinner gewählt.
Man könnte auch sagen wir haben mit unserer Stimme im ersten Fall eine Kraft von einer vollen Stimme. Die halbe noch nötige stellt die ganze Kraft unserer Stimme dar, also einen Anteil 1 von 1. Im zweiten Fall steht ein Kandidat auf der Kippe, und einen haben wir sicher gewählt. Unsere Stimme spaltet sich hier also in drei Anteile. Zwei für den bereits gewählten, und einer für den noch zu wählenden. Die Kraft mit der wir den zweiten Kandidaten wählen können ist also nur noch ein drittel unserer Stimme (⅓). Im dritten Fall verhält es sich ebenso. Nur das wir nun schon zwei Gewinner haben und unsere Stimmkraft damit auf ein fünftel reduziert ist (⅕).
Führt man diese Rechnung weiter, ergibt sich die folgende Reihe: 1, ⅓, ⅕, ⅐, ⅑, …
Wir können also die Rechnung auch rückwärts anstellen. Wenn wir zwei
Personen wählen wollen können wir also die Stimmen so auswerten, dass
die beiden Sieger von einem Wähler nur mit 1+⅓ Stimmkraft gewählt werden
kann. 1 für den einen Sieger, ⅓ für den anderen.
Um das auszuwerten können wir alle möglichen Wahlausgänge betrachten.
Also jeder Kandidaten mit jedem anderen gepaart. Wir berechnen dann den
Wert jeder Paarung wie oben. Hat ein Wähler nur einen der beiden
gewählt, so erhält die Paarung einen Punkt. Hat ein Wähler beide
gewählt, so erhält die Paarung für den ersten 1 und für den zweiten ⅓
Punkt. Die Paarung mit den meisten Punkten hat dann gewonnen.
Für mehrere Sitze verhält es sich dann ebenso, mit 1+⅓+⅕+⅐+… Punkten. Jedoch wird die Berechnung mit vielen Kandidaten und vielen Sitzen sehr aufwändig. Die Zahl der Möglichkeiten welche überprüft werden müssen steigt exponentiell. Somit gibt es verschiedene Situationen in denen verschiedene Berechnungsverfahren vorteilhafter sind. Wie gezeigt ist es für Wahlen mit zwei Sitzen sehr einfach durchzuführen.
Wie proportional dieses System ist, können wir dadurch ermitteln in dem wir eine Wahl annehmen, in der alle Kandidaten einer Partei angehören und alle Wähler jeweils alle Kandidaten nur einer Partei wählen. Das Ergebnis müsste dann das selbe wie in einer einfachen Parteienwahl sein.
Nutzen wir die oben genannte Reihe: 1, ⅓, ⅕, ⅐, ⅑, … dann, erhalten wir exakt die selben Ergebnisse wie bei einer Parteienwahl die mit dem Sainte Laguë-Verfahren berechnet wurde. Warum das so ist wird klar wenn, man sich anschaut wie Sainte Laguë berechnet wird - es werden genau dieselben Werte verwendet. Damit ist sichergestellt, dass alle Wählerstimmen gleich viel Einfluss haben und dass keine Stimmen verloren gehen.
Das Sainte Laguë-Verfahren wird bei der Bundestagswahl und vieler weiterer Wahlen in Deutschland verwendet. Es ersetzt immer mehr ältere Verfahren, weil es eine ideale Proportionalität garantiert - eben das was wir auch hier anstreben.
Das hier erläuterte Verfahren findet man in der Literatur meist mit den Werten 1, ½, ⅓, ¼, ⅕, ⅙, … Diese entsprechen dem d’Hondt-Verfahren in der Parteienwahl. Dieses leidet aber darunter, dass es größere Parteien bevorzugt. Wir raten daher von dieser Variante ab.
Dieses Verfahren kann überall angewendet werden wo eine Gruppe von Personen gewählt werden soll, welche die Wählerschaft möglichst vollständig vertreten sollen.
Sollen nur zwei Personen gewählt werden, lässt sich das sehr einfach realisieren. Es werden alle möglichen Paarungen der Kandidaten aufgelistet. Stimmt ein Wähler für eine Person aus einem Paar erhält das Paar einen Punkt, stimmt ein Wähler für beide so erhält das Paar nur 1+⅓ Punkte. Die Ergebnisse können so addiert werden ohne die Stimmzettel erneut auswerten zu müssen.
Auch Doppelspitzen, zum Beispiel für einen Parteivorsitz, können so gewählt werden und repräsentieren dadurch einen möglichst großen Teil der Basis. Eine Variante die es erlaubt zusätzlich auch nach bestimmten Gruppen (z.B. Geschlecht) auszuwählen ist unter Doppelspitze erläutert.
In Irland gibt es keine Parteilisten, stattdessen werden die Abgeordneten in Mehrpersonenwahlkreisen von etwa 3 bis 5 Personen gewählt. Das wäre auch für Direktmandate der Bundestagswahl oder Landtagswahlen denkbar. Im Wahlkreis hätten die Bürger damit mehr als nur einen Ansprechpartner. Auch unabhängige Kandidaten haben so eine größere Chance in das Parlament einzuziehen.
Große Vereine leiden manchmal darunter, dass es mehrere Lager gibt, der Vorstand aber nur eines davon vertritt. Das führt zu Konflikten und trübt die Vereinsarbeit. Verstärkt wird dieser Effekt zudem dadurch, dass der Vorstand Entscheidungen mit absoluter Mehrheit trifft. Ist der Vorstand von 50% der Mitglieder gewählt, und fällt eine Entscheidung mit 50% der Vorstände, dann repräsentiert die Entscheidung nur 25% der Mitglieder. So kann es vorkommt, dass der Vorstand immer wieder Entscheidungen gegen die Mehrheit der Mitglieder trifft.
In der sequenziellen Berechnungsmethode sind nicht alle Sieger gleich. Es gibt einen ersten Sieger, einen zweiten uns so weiter. Dadurch bietet es sich für Kandidatenlisten von Parteien an. Da die Partei vor der Wahl nicht weiß wie viele Kandidaten ins Parlament einziehen werden kann so im Voraus die Liste aufgestellt werden.
Solch ein proportionales Verfahren ist besonders geeignet für Parteien die den Anspruch haben eine Bevölkerungsgruppe anstatt einer Ideologischen Weltanschauung zu vertreten. Würde die Liste nach der üblichen Mehrheits-, bzw. Blockwahl besetzt, dann würde eine Mehrheit die Partei dominieren. Sie würde nicht mehr für die ganze Bevölkerungsgruppe stehen. Das würde dann aber auch die Minderheit aus der Partei treiben, wodurch sich der selektive Effekt nur verstärkt. Am Ende bliebe eine Partei die eine Minderheitsmeinung vertritt und nur wenig Zuspruch findet. Die SPAV würde diesen Trend verhindern - die Partei selbst wäre neutral, die gewählten Personen stünden im Vordergrund.
Oft ist es wichtig eine unabhängige Beratung zu stellen und Beiräte außerhalb von festgefahrenen Lagern zu besetzten. Jedoch geschieht dies meist durch eine bereits gewählte Gruppe oder Person, welche die Mehrheit darstellt. Der unscharfe Bereich zwischen wirklich unabhängig und sichtbar einseitig ist groß, damit auch der Spielraum in dem die Gremien besetzt werden.
Mit der SPAV ist es jedoch einfach möglich die Entscheidung auf die Wählerschaft zu übertragen.
Zum Beispiel muss ein Bürgerrat aus ausgelosten Bürgern von Sachverständigen beraten werden. Die Auswahl übernimmt bisher der Veranstalter. Mit der proportionalen Wahl ist es aber möglich die ausgewählten Bürger selbst abstimmen zu lassen. So könnten sich alle Interessengruppen, Experten und Aktivisten in einer kurzen Vorstellung zur Wahl stellen. Die Gewinner können dann ihren Standpunkt den Bürgerrat darstellen. Damit ist sichergestellt, dass die Redner auch die Themen repräsentieren wie sie in der gelosten Gruppe gewünscht sind.